Wirtschaftliche Überlegenheit und Stärkung der Zivilgesellschaft:
Geheimrezept Unternehmensdemokratie
Wirtschaftliche Überlegenheit und Stärkung der Zivilgesellschaft:
Gleich vorweg: Mit Wahlen haben demokratische Unternehmen nichts zu tun. Den Chef zu wählen ist keine Unternehmensdemokratie! Aber was sonst? Welche Vorteile die demokratische Ausrichtung von Unternehmen hat, welche Vorurteile und Missverständnisse wir beiseite schieben sollten und welche guten Gründe es gibt, soll dieser Artikel zum 75. Geburtstag des Grundgesetzes und der Demokratie in Deutschland darlegen.
Für die Demokratisierung von Unternehmen gibt es viele gute Gründe. Und einen ganz wichtigen.
Zu den guten Gründen gehören die deutliche wirtschaftliche Überlegenheit. Diese ergibt sich durch die konsequente Marktsteuerung, Abbau nicht mehr benötigter Bürokratie, unbedingtem Fokus auf Wertschöpfung und den dann möglichen Verzicht auf Planung und Budgetierung. Gemanagte Planwirtschaft à la DDR wird abgeschafft und durch die Anwendung marktwirtschaftlichen Prinzipien auch innerhalb des Unternehmens ersetzt.
Zu den guten Gründen gehört auch die menschengerechtere Art der Zusammenarbeit, des füreinander-miteinander Leistens, der Solidarität, der Gestaltungsfreiheit und Selbstorganisation. „Endlich vernünftig arbeiten“, so beschrieb es eine Mitarbeiterin bei einem Klienten nach der Umstellung. Die eigene Wirksamkeit erfahren. Zutrauen in andere und sich selbst wiederentdecken. Und dabei nicht gesehenes Engagement bei der Arbeit erleben.
Man darf sich dabei nicht täuschen lassen. So zu arbeiten ist härter. Es erfordert wesentlich mehr Disziplin. Dafür hat jeder „Skin in the Game“. Nicht nur die Unternehmer und die Geschäftsführung. Und ja, das macht pure Freude!! Von so viel Sinn darf man sonst nur träumen.
Der eine, ganz wichtige Grund für die Demokratisierung von Unternehmen: Der Spill-Over-Effekt in unsere Zivilgesellschaft, der zur Genüge beforscht und erwiesen ist. Wer so selbstwirksam und gestalterisch arbeitet, trägt das in die Familie, den Freundeskreis, ins Privatleben! Die Zivilgesellschaft und unsere Demokratie werden wesentlich gestützt und gestärkt. Wir erleben dort, wo wir die meiste Zeit verbringen, was Gestaltungsfreiheit und Erfolg bedeutet. Was Engagement bewirkt. Wieso sollte es in unseren anderen Lebensbereichen denn dann anders sein?
Demokratie muss erlernt und erfahren werden. Von jeder Generation wieder. Unser Schulsystem leistet das nicht (ein Kapitel für sich). In der Familie lernen wir Demokratie in der Regel auch nicht kennen. Doch Unternehmen lassen sich unabhängig von der Größe in nur wenigen Monaten zuverlässig transformieren. Im Arbeitsleben können wir so einen deutlichen Unterschied für die Demokratiesicherung und -stärkung machen. Jetzt. Noch vor der nächsten Bundestagswahl. Unsere Demokratie rettet sich nicht über langwierigen Einfluss auf die kommenden Generationen, durch bessere Erziehung oder durch Debatten im Fernsehen. #NieWieder fängt in Unternehmen an, muss hier anfangen. Wir müssen uns endlich über die riesige Bedeutung und den weit unterschätzten Einfluss unserer Wirtschaft und der Verantwortung von Unternehmen auf die Zivilgesellschaft und die Demokratie bewusst werden. Kein Hebel wirkt so direkt und so stark demokratiefördernd.
Das Grundgesetz und unsere Demokratie werden heute, am 23.5.2024 75 Jahre alt. Ich finde, es ist allerhöchste Zeit, dass unsere Unternehmen nachziehen, damit wir bald die 100 und viele, weitere Grundgesetz-Jubiläen feiern dürfen. Sie auch? Wie kann uns das gelingen?
Das größte Missverständnis: Demokratie = Wahlrecht
Demokratie wird in unserem Verständnis oft auf das Wahlrecht reduziert. Sagen Sie ehrlich, wie viele demokratische Prinzipien können Sie aus dem Stand noch benennen? Verkürzen wir das Demokratieverständnis auf das Wahlrecht, so hat das folgende Auswirkungen:
1) Für Unternehmen
Wir neigen dazu, Strukturen des Unternehmens im Kern nicht wesentlich zu verändern. Wir bleiben bei einem oben und einem Unten. Die Macht nimmt nach oben zentralisiert zu. Wir sprechen in solchen Systemen dann von Steuerungskreisen oder Komitees. Solange wir aber in zentralisiertem "Oben" denken, solange wir dem Irrtum aufsitzen, dass wir Teams koordinieren und steuern müssten, wählen wir nur die nächste Autokratie, das nächste Management. In manchen Unternehmen ist sogar die Überspitzung zur Realität geworden. Diese ändern überhaupt nichts an der Struktur, bis auf die Tatsache, dass der Chef oder die Chefin jetzt gewählt werden. Neben der marktwirtschaftlichen Absurdität macht die Wahl einen Unterschied: Intrigen und Mobbing werden befeuert.
Dies ist weder menschlich, noch wirtschaftlich ein wirklicher Gewinn. In Demokratie liegt der Fehler aber nicht, sondern daran, dass neben dem Wahlrecht fast alle anderen demokratischen Prinzipien missachtet werden. Eine echte, wirksame Beteiligung, ein kontinuierliches, gemeinsames Zusammenarbeiten, bei dem jedermensch in Verantwortung ist, welches Mitdenken fordert und ermöglicht, welches fortwährend die Gestaltungsmacht und -freiheit für alle gewährleistet, gibt es nicht.
2) Für die Zivilgesellschaft
Egal ob wir den Chef wählen oder nicht. Das Erlebnis für den Einzelnen bleibt gleich: Mein Einfluss ist begrenzt. "Die da oben" werden sowieso entscheiden und das meist - dem System geschuldet - fehlerhaft. Wirtschaftlich, wie humanistisch. Ein "gemeinsam zusammen" gibt es nur in den bunten Broschüren, die von (wirkungsloser) Wertearbeit berichten. Das Erleben lehrt uns: Es lohnt sich nicht, sich voll zu engagieren. Dadurch ergibt sich ein negativer Spill-Over-Effekt in unsere Zivilgesellschaft, der zur Schwächung unserer Demokratie führt.
Initiative “Demokratie in Unternehmen”
Was macht ein demokratisch strukturiertes Unternehmen aus? Wieso ist es wirtschaftlich deutlich leistungsfähiger? Wie kann man sich ein solches Unternehmen vorstellen? Wieso ist die Verantwortung der Unternehmen für unsere Demokratie so groß? Was können Sie als Unternehmer_in, Geschäftsführung oder Vorstand durch Ihr Handlen Zivilgesellschaft und Demokratie stärken und fördern?
Alinbu bietet in den nächsten Wochen Diskurs-Sessions an, um sich diesen Fragen auf hohem Niveau zu nähern und das unternehmerische Demokratieverständnis zu fördern.
Die Teilnahmegebühren gehen dabei vollständig an demokratiefördernde Organisationen Ihrer Wahl.
Dezentralisierung und innere Marktwirtschaft
Kreise in einer Organisation zu bilden, ist keine Demokratisierung.Oft wird in solchen Kreismodellen massiv auf Konsent gesetzt. Alle entscheiden alles mit. Und viele Entscheidungen werden gar nicht im Team selbst, sondern in Steuerungskreisen getroffen.
Die meisten Entscheidungen betreffen aber nur die Arbeit von 1-2 Personen jetzt und direkt. Konsent und Steuerungskreise verzögern die Entscheidung und rauben an - Vorsicht, Wortspiel - „entscheidender“ Stelle Gestaltungsfreiheit.
Die Entscheidungsfreiheit ist jedoch demokratisches Prinzip (Freiheit der Wirtschaft), solange sie nicht die Freiheit anderer einschränkt. Starke Individuen sind die Grundlage für eine starke Gemeinschaft. Das gilt für die Gesellschaft genauso, wie für Unternehmen.
Es ist wirtschaftlich und menschlich sinnvoll, diese lokalen, dezentralen Entscheidungen konsequent zu ermöglichen. Als Entscheidender bleibe ich so in voller Verantwortung. Damit ist es für mich notwendig, die Entscheidung zu durchdenken und die Konsequenzen meiner Entscheidung zu erleben. Es entsteht eine dem Menschen entsprechende, positive Dynamik. Ich bin direkt wirksam. „Skin in the Game“!
Um Entscheidungen im Team oder als Einzelentscheid unternehmerisch sinnvoll und zweckorientiert treffen zu können, muss das Team alle Zahlen und volle Transparenz haben, die es betreffen. Ähnlich eines kleinen Unternehmens im Unternehmen. Das Team muss (gegenüber externen und internen Kunden) Rechnungen stellen und so Einnahmen erzielen können. Es muss diese über eine Gewinn- und Verlustrechnung den Kosten gegenüberstellen, um die tatsächliche Wertschöpfung im Team abzubilden. Sonst gleichen alle Entscheidungen einem Blindflug. Das Arbeiten ohne diese Zahlen, das ist wie das Spielen eines Computerspiels ohne die Info, wieviele Punkte man erspielt, wieviele Leben verloren und Extraleben man gewonnen hat … sinn- & zwecklos. Keine Unternehmerin und kein Unternehmer könnte ohne diese Finanzdaten arbeiten. In der Konsequenz steckt Spaß und Orientierung.
Wirtschaft und Compliance - eine wichtige Differenzierung
In Unternehmen und der Gesellschaft kann man zwei Entscheidungsfelder unterscheiden. Wirtschaftliche Entscheidungen und Compliance-Bestimmungen.
Compliance-Bestimmungen gelten in einer Demokratie für alle gleichermaßen. Deshalb werden sie als Gesetze so erstellt, dass sie demokratisch legitimiert sind. Üblicherweise durch Abstimmung in gewählten Gremien, die die Aufgabe haben, Gesetze so für die gesamte Gesellschaft zu formulieren, dass sie auch die Minderheiten beachten.
Für die Wirtschaft gilt hingegen das Prinzip der wirtschaftlichen Freiheit. In einer Demokratie wird sie nicht per Planung und Vorgabe zentral gesteuert (Planwirtschaft), sondern reguliert sich im Rahmen der Compliance selbst (Marktwirtschaft).
In demokratisch gestalteten Unternehmen benötigen wir eine „Legislative“ nur in seltenen Ausnahmefällen, wenn überhaupt. Die nötige Gesetzgebung wird vom geltenden Recht übernommen und muss nicht im Unternehmen durch gewählte Gremien neu definiert werden. Der demokratisch legitimierte Gesetzgeber hat alles Wichtige bereits geregelt. In Unternehmen müssen wir das nur noch umsetzen. Durch hierarchisch angeordnete Positionen (CEO, Datenschutz, Buchhaltung, Hygiene, …) wird überwacht, dass diese Gesetze eingehalten werden. Die Unternehmenshierarchie hat in demokratisch organisierten Unternehmen im Wesentlichen eine Überwachungs- und Kontroll-, keine Entscheidungs- oder gar Steuerungsfunktion. Wirtschaftliche Entscheidungen hingegen unterliegen dem Prinzip der wirtschaftlichen Freiheit. Dies lässt sich am besten abbilden durch voll autorisierte Teams und dezentrale Entscheidungsstrukturen.
Teamübergreifende Koordination
Doch wie koordinieren sich diese Teams untereinander? Zu oft fallen wir an dieser Stelle in zentralisierte Muster zurück und stellen übergeordnete Koordinationsinstanzen auf. Selbst wenn diese ganz „New-Work-mäßig“ gewählt oder „bottom-up“ durch Repräsentantinnen besetzt werden: Hier steigt die Fremdbestimmung der Teams. Verantwortungs- und Einflussstrecke sind nicht mehr ident. Das Prinzip der wirtschaftlichen Freiheit wird gebrochen. Viele weitere demokratische Prinzipien auch. Der Verwaltungsaufwand steigt, so wie auch die Notwendigkeit von Planung. Menschlich und wirtschaftlich mehr als suboptimal. Dabei wäre die demokratische, menschlich und wirtschaftlich sinnvolle Antwort so einfach. Die Teams koordinieren sich untereinander durch Selbstorganisation und einen internen Markt mit Verrechnung ihrer Leistungen. Marktwirtschaft statt Planwirtschaft. Übergeordnete Ebenen braucht es nicht. Sie sind ein Relikt aus Zeiten von Taylor, in denen man Unternehmen wie Maschinen zu steuern gedachte.
Selbstorganisation über interne Märkte, das klingt komplex und unkontrollierbar. Stimmt! Doch nicht die Reduzierung von Komplexität bringt den Erfolg, sondern die Freiheit, die Steigerung von Komplexität, die Unplanbarkeit! Das klingt im ersten Moment vollkommen kontraintuitiv, ist jedoch wissenschaftlich fundiert und praktisch erwiesen.
Wieso sind nicht mehr Unternehmen demokratisch gestaltet?
Einen Grund für die Verkürzung auf Wahlrecht und anschließend zentrale Koordinierung in einem planwirtschaftlichen Oben-und-Unten-System gibt es auch: Mangelndes Zutrauen in Menschen aufgrund eines der Realität nicht angemessenen Menschenbildes.
Wie extrem dieses Nicht-Zutrauen zum Teil ist, möchte ich Ihnen zum Schluss noch an einem Gespräch verdeutlichen, welches ich Ende letzten Jahres mit einem Unternehmer führte. Für ihn war die Vorstellung absurd, dass jedes Team eine eigene Gewinn- und Verlustrechnung erhält. Die genannten Gründe: „Die interessieren sich nicht für Zahlen und können doch keine GuV lesen!“ Ich gab zu bedenken, dass das nicht schwieriger sei, als einen Kontoauszug zu verstehen. Das brachte ihn zum Grübeln und tags drauf meldete er sich bei mir. Er hätte sich getäuscht. Er hatte mit einigen Teams gesprochen, nachgefragt und das Feedback lautete, dass sich die Teams sehr wohl vorstellen könnten und Interesse daran haben, mit solcher Transparenz zu arbeiten.
Wie kommt es zu solch einer Fehleinschätzung? Wir arbeiten in gemangten Unternehmen in einer Umgebung, die irgendwo auf der Skala zwischen Elfenbeinturm mit New Work, Feelgood-Management und paternalistischer Familienatmosphäre, sowie Arbeitsstraflager mit Sollzielen und starrem Control & Command rangiert. Auf jeden Fall wird man jenseits der Geschäftsführung selten oder gar nicht mit der vollen Realität des Marktes konfrontiert. Gründe für echtes Mitdenken und gesteigertes Engagement gibt es wenig. Das Verhalten wird dadurch entscheidend geprägt. Wir sollten nie den Fehler machen, von einem durch das System geprägten Verhalten auf die Menschen selbst zu schließen. Das machen wir aber schnell und das ist der Fehler!
In Demokratie investieren
Es lohnt sich finanziell und gesellschaftlich in Demokratie zu investieren. Sie können sich das noch nicht vorstellen und haben jetzt viele Fragen? Dann sollten Sie sich die Initiative „Unternehmen für Demokratie“ unbedingt anschauen.
Initiative “Demokratie in Unternehmen”
Was macht ein demokratisch strukturiertes Unternehmen aus? Wieso ist es wirtschaftlich deutlich leistungsfähiger? Wie kann man sich ein solches Unternehmen vorstellen? Wieso ist die Verantwortung der Unternehmen für unsere Demokratie so groß? Was können Sie als Unternehmer_in, Geschäftsführung oder Vorstand durch Ihr Handlen Zivilgesellschaft und Demokratie stärken und fördern?
Alinbu bietet in den nächsten Wochen Diskurs-Sessions an, um sich diesen Fragen auf hohem Niveau zu nähern und das unternehmerische Demokratieverständnis zu fördern.
Die Teilnahmegebühren gehen dabei vollständig an demokratiefördernde Organisationen Ihrer Wahl.